Interview mit Jan Ludwig von tlou.ai

Jan Ludwig hat mit tlou.ai eine Lösung entwickelt, die Bewerbungsprozesse, mit Hilfe von KI menschlicher macht. Im Gespräch erzählt er, wie aus persönlicher Frustration eine Geschäftsidee wurde, welche Chancen KI für Bewerbende und Unternehmen bietet und warum der Landkreis Esslingen in puncto Unternehmerlandschaft noch etwas mutiger werden darf.

Interview mit Jan Ludwig von tlou.ai
Lieber Jan, wie bist du auf die Idee gekommen, dein eigenes Ding zu machen? Was hat dich dazu bewogen, ein Start-up zu gründen?

Ehrlich gesagt entstand die Idee aus einer gewissen Unzufriedenheit. Ich habe selbst erlebt, wie wenig wertschätzend Bewerbungsprozesse in vielen Unternehmen ablaufen. Man verschickt Bewerbungen, erhält Standardantworten oder hört monatelang gar nicht. Gespräche zielten oft darauf ab, herauszufinden was ich in der Vergangenheit gemacht habe, nicht, was ich zukünftig dem Unternehmen für einen Wert bringe. Das war für mich ein Schlüsselmoment: Ich habe mich gefragt, warum das so ist, wieso wir trotz unserer technologischen Möglichkeiten Prozesse immer noch manuell erledigen und wo dabei der Mensch bleibt. Ich habe mich dann mit vielen Leuten aus meinem Netzwerk ausgetauscht und gemerkt, dass viele ähnliche Erfahrungen machen. Daraus ist Schritt für Schritt die Idee entstanden, etwas zu verändern. Anfang dieses Jahres habe ich mich dann entschieden, mich voll auf die Gründung zu konzentrieren.

Kommst du dann selbst aus dem Bereich HR?

Jein. Ich war in meiner letzten Position für das Thema Learning verantwortlich, also für Fort- und Weiterbildung und habe Unternehmen auch beratend bei der HR-Transformation begleitet. Davor war ich als in der Unternehmensberatung viel im Bereich Finance und Projektmanagement tätig. Durch Zufall bin ich in die HR-Schiene gerutscht und habe gemerkt, dass mir das liegt, aber auch, dass sich etwas verändern muss.

Das heißt, du hast auf jeden Fall ein gutes Gespür für den Markt und die Herausforderungen im Personalwesen entwickeln können. Kannst du noch etwas genauer erklären, was du mit tlou.ai genau machst?

Schon in meiner Zeit als Head of Learning war mir klar: Eine HR-Abteilung der Zukunft muss datengetriebener arbeiten. Das gilt auch, wenn es darum geht die richtigen Mitarbeitenden ausfindig zu machen. tlou.ai ist ein Bewerbermanagement Ökosystem, das Unternehmen hilft, die passenden Kandidat*innen zu finden, sowohl fachlich als auch kulturell. Mit KI gestalten wir einen ganzheitlichen Prozess von der Erstellung der Stellenausschreibungen bis hin zur Vorqualifikation. Dabei berücksichtigen wir schon bei der Ansprache den Werte- und Kultur-Fit. Bewerbende beantworten im Prozess spezifische Fragen zu Arbeitsweise, Teamverhalten und Motivation. Daraus entsteht ein datenbasierter Abgleich zwischen Person und Unternehmen. Aktuell arbeiten wir schon mit mehreren Kunden und entwickeln das System kontinuierlich weiter. Aktuell pilotieren wir KI-gestütztes Videorecruiting mit fotorealistischen Avataren. Immer mit dem Ziel, dass der Bewerbungsprozess für alle Parteien einfacher, persönlicher und zufriedenstellender wird.

Kurz zum Verständnis: Das heißt, der Avatar führt dann perspektivisch die Bewerbungsgespräche?

Genau, Bewerbende können sich bewerben, indem sie einfach ihren Lebenslauf oder ihr Linkedin-Profil hochladen. Dann übernimmt unser Avatar das Screening-Gespräch. Er stellt Fragen, hört zu, reagiert, und hat Verständnis für Tonfall und Emotion. Das ist wichtig, weil wir nicht nur auf Inhalte schauen, sondern auch darauf, wie überzeugt jemand ist. Wenn jemand also beispielsweise sagt „ich liebe Teamarbeit“, aber dabei völlig unbeteiligt klingt, merkt der Avatar das. Damit schaffen wir eine realistischere Gesprächssituation und Wertschätzung. Die Bewerbenden bekommen umgehendes Feedback, unabhängig von der Entscheidung des Unternehmens. So verbinden wir Technologie mit echtem Employer Branding. Wichtig, der Avatar übernimmt keine Entscheidung für das Unternehmen, sondern unterstützt in diesem Fall zur besseren Entscheidungsfindung.

Das klingt spannend! Zurück zu eurem aktuellen Geschäftsmodell. Funktioniert das dann so, dass die Unternehmen mit den vakanten Stellen zahlen und Bewerbende das Tool kostenlos nutzen können?

Richtig, Unternehmen nutzen tlou.ai als Software-as-a-Service. Der aktuell schwierige Markt ist eine Chance für uns, denn Unternehmen brauchen Tools, um unter den eintrudelnden Bewerbungen die richtigen Menschen zu erkennen oder, bei wenigen Bewerbungen, sich nicht nur von Lebenslaufdaten blenden zu lassen sondern Quereinsteiger*innen & Menschen mit nicht-linearen Lebensläufen eine Chance zu geben Das kann auch beim herausfordernden Generationenwechsel helfen. Junge Menschen suchen Selbstverwirklichung und Sinn und Unternehmen suchen fleißige Arbeitskräfte. Mit einer Technologie, die Bewerbende besser versteht, ist das möglich. Mit bloßem Abgleich von Lebensläufen nicht.

Allgemein auf das Thema Unternehmertum bezogen: Hast du Tipps für Menschen, die selbst gründen wollen? Inbesondere für Leute, die mit ihrer Idee im Landkreis ansässig werden möchten?

Einfach machen. Aber mit klarem Blick. Eine Gründung ist immer ein Investment zum einen finanziell, zum anderen in sich selbst. Man muss sich der Durststrecken bewusst sein und offen dafür, täglich Neues zu lernen. Ich habe vorher schon Jahre in Teilselbstständigkeit gearbeitet, das hat mir geholfen. Für Gründende im Raum Esslingen kann ich besonders die Makers League empfehlen. Das ist ein tolles Netzwerk für Solo-Selbstständige und Unternehmerpersönlichkeiten mit einer starken Community und Arbeitsmöglichkeiten. Generell gilt: wenn man eine Idee hat, an die man glaubt, darf man nicht darauf warten, dass jemand anderes sie für einen umsetzt. Vorallem aber auch Netzwerke wie bwcon sind mehr wert, als nur den Jahresbeitrag. Sie leben davon, dass man sich einbringt, also muss man die Gelegenheiten auch nutzen.

Und wenn du dir für Esslingen als Gründungsstandort noch etwas wünschen dürftest, was wäre das?

Noch etwas mehr Sichtbarkeit und Mut. Es gibt großartige Initiativen, vieles passiert in kleinen Bubbles. Esslingen hat enormes Potenzial größer zu denken, auch mit seiner Industriegeschichte. Vor allem die Vernetzung zwischen jungen Start-ups und etablierten Unternehmen – und konkrete Räume, wo das wirklich zusammenkommen kann – sind meiner Meinung nach wichtig. Ich würde mich freuen, wenn es uns gelingt, die zersplitterte Start-up Förderlandschaft auch über Landkreise hinaus zu vereinen und somit ein starkes Start-up Ökosystem im Speckgürtel rund um Stuttgart zu entwickeln.

Wir dürfen gespannt bleiben, wie sich der Standort in den nächsten Jahren weiterentwickelt. Potential ist auf jeden Fall da! Vielen Dank für deine Einblicke, Jan!
Interview mit Jan Ludwig von tlou.ai
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