Interview mit Dr. Heinrich Jehle von FlareOn

Wie lässt sich Krebs zuverlässiger erkennen – und zwar direkt während der Operation? Dr. Heinrich Jehle und sein Team von FlareOn Biotech haben eine innovative Antwort darauf. Im Interview mit uns spricht der Gründer über fluoreszierende Tumordiagnostik und wieso es sich lohnt, Biotech auch abseits von München und Berlin zu denken.

Interview mit Dr. Heinrich Jehle von FlareOn
Hallo Heinrich, was genau macht FlareOn Biotech?

Wir haben FlareOn Biotech im Mai 2024 gegründet. Unser Ziel ist es, Tumorzellen sichtbar zu machen – und zwar direkt im Operationssaal. Es geht dabei um sogenannte Point-of-Care-Diagnostik, also darum, mit möglichst wenig technischer Infrastruktur direkt am Patienten eine schnelle und zuverlässige Entscheidungshilfe für die Behandlung zu liefern.

Konkret machen wir Tumorzellen über eine Farbreaktion sichtbar – also durch Fluoreszenz. Diese Methode wird während einer Operation eingesetzt, wenn ein Tumor entfernt wird. Der große Vorteil: Der Chirurg oder die Chirurgin kann erkennen, ob wirklich alle Krebszellen entfernt wurden oder ob noch nachgeschnitten werden muss. Und das ohne lange Wartezeiten auf pathologische Befunde.

Also eine Art Echtzeit-Diagnostik im OP?

Genau. Bisher werden sogenannte Schnellschnitte gemacht, die dann aufwendig im Labor untersucht werden müssen. Das kostet Zeit und verlängert die Narkose – was ein Risiko darstellt. Mit unserer Methode bekommt das OP-Team innerhalb von zehn Minuten Klarheit. Das spart Zeit, reduziert Risiken und verbessert die Präzision der Operation. 

Und wie kam es zum Namen „FlareOn Biotech“

„FlareOn“ steht für die Leuchterscheinung – also die sichtbare Fluoreszenz unserer Farbreaktion. Der Name soll ausdrücken, dass selbst das bloße Auge erkennt, ob Tumorzellen vorhanden sind. Die Namensidee kam allerdings nicht von mir – ich bin da eher unbegabt. Das hat meine Kollegin Anna übernommen. 

Wo steht ihr gerade mit FlareOn? Was ist der aktuelle Stand?

Wir haben den Prototyp 2022 im Labor entwickelt und dann in einer klinischen Studie an echten Gewebeproben getestet. Die Ergebnisse waren sehr vielversprechend. Daraufhin haben wir die Firma gegründet und eine Pre-Seed-Förderung erhalten. Derzeit bereiten wir das erste Produkt als F&E-Version vor – es soll zunächst an Universitätskliniken eingesetzt werden, um weitere Daten zu gewinnen.

Die erste Indikation, auf die wir uns konzentrieren, sind solide Tumore im Hals-Nasen-Bereich. Dort zählt jeder Millimeter Gewebe, um Funktionen wie Sprechen, Schlucken oder Atmen möglichst wenig zu beeinträchtigen.

Wie lange wird es noch dauern, bis das Produkt zugelassen ist

Für die reguläre Zulassung als In-vitro-Diagnostikum rechnen wir mit etwa drei Jahren. Danach wollen wir eine Sprühlösung entwickeln, mit der das gesamte OP-Feld markiert werden kann – quasi der „Heilige Gral“ für Operateure. Aber das liegt eher fünf bis sieben Jahre in der Zukunft. 

Was sind für euch die größten Herausforderungen?

Die Forschung selbst ist unser tägliches Geschäft – das beherrschen wir. Schwieriger wird es bei der Marktzulassung und der Skalierung. Wir wollen aber unabhängig bleiben und deshalb unsere Produkte eher an Diagnostik-Partner lizenzieren, statt selbst einen globalen Vertrieb aufzubauen. 

Nutzt ihr eigentlich auch Künstliche Intelligenz?

Unsere aktuelle Technologie basiert rein auf biochemischen Reaktionen zwischen Biomarkern und Sensoren – keine KI. In Zukunft kann KI allerdings hilfreich sein, um große Datenmengen zu analysieren, etwa beim Vergleich gesunder und kranker Gewebeproben. 

Ihr sitzt in der Region Stuttgart. Viele sagen: Für Biotech muss man nach München, Berlin oder Tübingen. Warum bleibt ihr in Frickenhausen?

Ich bin davon überzeugt, dass wir hier einen sehr funktionierenden Mikrokosmos haben – mit tollen Programmen wie dem Pre-Seed BW oder den Innovationsgutscheinen. Es gibt Netzwerke wie bwcon oder die BioRegio STERN. Und für mich persönlich ist es einfach schön, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. 

Interview mit Dr. Heinrich Jehle von FlareOn
Und wenn wir uns 2030 wieder treffen – worüber sprechen wir dann?

Hoffentlich weiter über FlareOn. Das Feld der Krebsdiagnostik ist so groß, dass ich es in meinem Leben sicher nicht vollständig abdecken kann. Aber ich hoffe, wir bleiben klein, schlagkräftig und unabhängig. 

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