André Geilen von Liquid-Universum erzählt uns im Interview, wie sich sein Entrepreneur-Spirit über die Jahre entwickelt hat und warum sich der Landkreis Esslingen bestens zum Gründen eignet.
Lieber André, wie kam dir die Idee, eine eigene Firma zu gründen? Was war der ursprüngliche Auslöser dafür?
Das Thema Selbstständigkeit hat mich schon sehr früh begleitet. Bereits im Kindes- und Jugendalter habe ich mir Gedanken über potenzielle Produktideen gemacht. Eine meiner ersten Ideen war ein Feuerzeug, das man mit einer Haube vor Regen schützen kann. Später, im Gymnasium, entwickelte ich mit meiner Gruppe im Rahmen einer Business School eine Geschäftsidee für einen Grabstein-Verwertungsdienst. Das Interesse an solchen Projekten setzte sich im Studium fort, wo ich mich in der studentischen Unternehmensberatung engagierte. Einer meiner ersten Kunden war da die Technologietransferinitiative der Uni Stuttgart. Diese Erfahrungen haben mir den Weg geebnet und 2014, durch eine Anfrage aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis, bin ich in den Vertrieb von Misch-& Abfüllsystemen für die Herstellung innovativer Nikotinersatzprodukte eingestiegen.
Hattet ihr auch Befürchtungen zu Beginn der Gründung? Wie beurteilst du diese aus heutiger Sicht?
Anfangs stellte sich natürlich die Frage, ob der eingeschlagene Weg richtig ist und ob das Potenzial groß genug ist, besonders da wir anfangs kein eigenes Produkt hatten. Die Unsicherheit, ob man sich nicht doch auf einen regulären Job bewerben sollte, war ebenfalls präsent. Im Rückblick war es aber eine gute Entscheidung, denn die Selbstständigkeit hat sich gut entwickelt. Es ist natürlich wichtig, fortlaufend zu bewerten, ob man auf dem richtigen Weg ist.
War das dann der Vorläufer für deine heutigen Unternehmen Liquid-Universum & Alveon?
Genau, das war der Anfang. Wir starteten mit InnoSteam als reine Vertriebs- und Distributionsgesellschaft und erweiterten unser Portfolio dann um eigene Entwicklungen. Neben unserem ersten Mischroboter für den Fachhandel, begannen wir industrielle Abfüllsysteme und eigene Maschinen, wie Biaxial-Mischer, zu entwickeln. Als nächstes gründeten wir die Firma Liquid-Universum und begannen in einer angemieteten Produktionshalle mit der Herstellung und Abfüllung von E-Liquids. Das Unternehmen wuchs, und wir spezialisierten uns schließlich auch auf die Herstellung funktioneller Nahrungsergänzungsmittel. Heute haben wir die Möglichkeit, Flüssigkeiten, Pulver- und Kapselprodukte zu verarbeiten.
Es gibt im unternehmerischen Umfeld natürlich keine „Fehler“, sondern vielmehr Lektionen, aus denen man für die Zukunft lernt. Rückblickend betrachtet: Hast du Fehler gemacht? Was hast du aus ihnen gelernt? Würdest du rückwirkend etwas anders machen?
Ein wichtiger Fehler war, dass wir anfänglich nicht immer offen und transparent mit unseren Geschäftspartnern und Mitarbeitenden umgegangen sind. Besonders wenn Lieferrisiken bestanden, gesetzliche Bestimmungen unklar waren oder wir nicht wussten, wie viel finanziellen Handlungsspielraum wir noch hatten, haben wir versucht, Risiken herunterzuspielen und Ängste zu zerstreuen. Heute gehe ich transparenter mit solchen Risiken um und versuche, sie offen zu kommunizieren. Vorausschauend agieren und das eigene Stresslevel nicht an seine Kollegen weiterzugeben, sind in diesem Kontext weitere große Aufgaben, die es fortlaufend zu bewältigen gilt.
In der Branche, in der ihr euch bewegt, sind Änderungen am Markt und in den Regulationen keine Seltenheit. Ich kann mir gut vorstellen, dass vermeintliches Unwissen daher gar nicht als Schwäche gesehen wird, sondern, dass die Kunden und auch Mitarbeitenden es schätzen, dass du dich damit beschäftigst, dir einen Wissensstand erarbeitest und diesen teilst.
Genau diese Erfahrung haben wir über die Zeit gesammelt.
Du hast eben deine Mitarbeitenden angesprochen. Wie groß ist euer Team und wie habt ihr euch zusammengefunden? Wer übernimmt welche Aufgaben und wer trägt welche Kompetenzen?
Die Handelsgesellschaft habe ich damals zusammen mit meinem engen Studien-Freund Simon Geiß von der Uni Stuttgart gegründet. Später, bei der Gründung der Produktionsgesellschaft, kam ein Partnerunternehmen aus Stuttgart hinzu. Nach etwa einem Jahr sind die Partner jedoch wieder ausgeschieden und seitdem betreiben mein Mitgründer und ich das Geschäft mit Unterstützung von etwa 40 Kollegen. In unserem neuesten Projekt, dem medizinischen Inhalator für Medizinal-Cannabis, haben wir einen weiteren Studien-Freund und Ingenieur aus der Luft- und Raumfahrttechnik ins Team geholt. So ergänzen sich kaufmännische und technische Kompetenzen ideal.
Eure Geschäftsstelle befindet sich in Ostfildern. Wie empfindest du die Unternehmer-Community in der Region? Was hat dazu geführt, dass ihr euch in der Region angesiedelt habt? Wollt ihr hier ansässig bleiben?
Im Landkreis Esslingen sind wir erst seit Anfang 2023, aber bisher haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, besonders mit der Stadt Ostfildern. Wir fühlen uns gut betreut und die persönlichen Kontakte zur Gemeinde sind sehr hilfreich. Zuvor waren wir in Stuttgart, wo wir als kleines Unternehmen eher eine Randnotiz waren. Die gesamte Region bietet viel Know-how im Bereich der Fertigungstechnik, was uns bei der Entwicklung unserer Maschinen sehr geholfen hat. Zudem sind wir logistisch gut angebunden, was für unser Geschäft von Vorteil ist.
Was hat euch dann dazu bewogen von Stuttgart nach Ostfildern zu gehen?
Zunächst hauptsächlich Platzgründe. Unser Standort in Stuttgart wurde schnell zu klein. In Weinstadt fanden wir zunächst passende Räumlichkeiten, mussten aber auch dort bald umziehen. Schließlich wurden wir in Ostfildern fündig, wo wir genügend Platz für unsere wachsenden Lager- und Produktionsbedarfe haben.
Hat die Region Standortvorteile, die es anderswo nicht gibt?
Ja, besonders die Initiative MachES finde ich großartig. Solche Programme und der direkte Draht zur Gemeinde sind eindeutige Vorteile. Sie bieten Unterstützung, sei es bei Infrastrukturfragen oder Wirtschaftsförderung. Auch Programme wie der Innovationspreis Esslingen motivieren und unterstützen Gründende. Solche Angebote habe ich in anderen Regionen nicht in dieser Form wahrgenommen.
Wo finden potenzielle Gründende deiner Meinung nach am einfachsten Anschluss? Welche Anlaufstellen und Events kannst du beispielsweise empfehlen?
Da kommt es auf die Branche an. Für uns war es wichtig, Fachmessen und branchenspezifische Konferenzen zu besuchen. Mitgliedschaften in Netzwerken wie bei der bwcon oder dem Life Science Network Heidelberg-Mannheim waren ebenfalls hilfreich. Gründende sollten nach spezifischen Förderprogrammen suchen, die zu ihrem Bereich passen, und sich frühzeitig Unterstützung holen, sei es durch Business-Development-Programme wie beispielsweise den M.Tech Accelerator oder durch Netzwerke.
Du hast bereits einige Hürden bei der Unternehmensentwicklung genommen und viele Erfahrungen über die Zeit gesammelt. Hast du ein unternehmerisches Vorbild, das dich inspiriert und dessen Handlungen dir bei deinen Entscheidungen helfen?
Besonders beeindruckend finde ich Antje Dewitz mit der Firma VAUDE, die sich stark für Nachhaltigkeit und faire Produktionsbedingungen einsetzt. Sie sind ein tolles Beispiel dafür, wie man sich in schwierigen Branchen behaupten kann und gleichzeitig hohe ethische Standards hält. Und, dass das Unternehmen in Baden-Württemberg ansässig ist zeigt, dass hohe Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit auch in der Nachbarschaft zu finden sind.
Was sind die drei wichtigsten Eigenschaften, die dich persönlich als Unternehmer auszeichnen?
Eigeninitiative und Selbstständigkeit sind grundlegend. Man muss auch Resilienz zeigen und flexibel bleiben, um sich an neue Situationen anzupassen. Agilität ist ebenfalls wichtig, besonders wenn sich die rechtlichen oder marktbezogenen Rahmenbedingungen ändern. Zum Beispiel haben wir während der Corona-Pandemie kurzfristig unsere Produktion auf Desinfektionsmittel umgestellt, um die Krise zu überstehen.
Hast du sonstige Tipps und Tricks, die du gerne mit anderen, angehenden Unternehmerinnen und Unternehmern, teilen würdest?
Findet heraus was euch motiviert und antreibt. Nutzt die Unterstützung, sei es durch Teammitglieder oder Fördermittel, und sucht frühzeitig nach diesen Möglichkeiten. Auch der persönliche Ausgleich und eine stabile Work-Life-Balance sind wichtig, um langfristig erfolgreich und gesund zu bleiben.