Christoph Pitter hat uns erzählt, wie ProteinDistillery auf die Idee kam, aus Hefe Protein zu gewinnen und wie es für das junge Unternehmen jetzt weitergeht.
Lieber Christoph, kannst du uns kurz erklären, was der Kern eures Unternehmens ist? Was macht ProteinDistillery?
ProteinDistillery ist ein Food-Tech-Unternehmen, das es sich zum Ziel gesetzt hat, vegane Produkte zur ersten Wahl für Verbraucher zu machen. Wir haben ein Veredlungsverfahren entwickelt, welches in der Lage ist aus einem Nebenstrom der Brauindustrie – der Hefe – ein Protein zu gewinnen, das genau die gleichen Eigenschaften wie tierisches Protein aufweist und dadurch Lebensmittelunternehmen ermöglicht, authentische vegane Alternativen herzustellen.
Wann kam euch die Idee, eine eigene Firma zu gründen? Was war der Auslöser dafür?
Im Jahr 2018 begann die Geschichte von ProteinDistillery während einer Wohnmobilreise von mir nach Indien. Als leidenschaftlicher Sportler habe ich immer Whey Protein Pulver konsumiert, aber während der Reise entschied ich mich, tierische Produkte so weit wie möglich zu vermeiden. Allerdings waren alle veganen Protein-Pulver, die ich ausprobierte, geschmacklich nicht zufriedenstellend und konnten nicht so gut in Muskelmasse umgewandelt werden. Als Biotechnologe habe ich mich gefragt, warum vegane Alternativprodukte immer noch so bescheiden schmecken und kam auf die Idee, vegane Proteine aus Mikroorganismen herzustellen und die Vorteile von Tier- und Pflanzenproteinen zu kombinieren.
Ich überzeugte meinen ehemaligen Kommilitonen von der HS Esslingen, Michael Baunach, von der Idee und seit 2018 arbeiten wir gemeinsam an dem Projekt. Das Projekt wurde von Beginn an von der HS Esslingen unterstützt und Ende 2020 erhielten wir als Gründer eine Förderung durch das “Junge Innovatoren-Programm” des Landes Baden-Württemberg – damals noch unter dem Namen SACCHA. Im Rahmen des Programms lernten wir Thomas Kurz kennen, einen Experten für Lebensmitteltechnologie, der das Projekt in Bezug auf Marktanforderungen und Qualitätsmanagement beriet. Durch die intensive Zusammenarbeit beschloss das Team, die bestehenden Lücken in den Bereichen Produktentwicklung und Qualitätsmanagement durch die Aufnahme von Herrn Kurz als drittem Mitgründer zu füllen.
Dr. Sven Brummerloh, ein erfahrener Berater für Start-ups in der Lebensmittelbranche, trat dem Advisory Board bei und half bei der Vermittlung von Kontakten. Aufgrund seiner Empfehlung wurde Marco Ries, der die Verantwortung für die Finanzierung und die Öffentlichkeitsarbeit übernahm, als vierter Mitgründer gewonnen.
Welche Befürchtungen hattet ihr zu Beginn eurer Gründung? Wie beurteilt ihr diese aus heutiger Sicht? Was habt ihr dazugelernt?
Wir hatten zu Beginn unserer Gründung einige Befürchtungen, aber wir haben gelernt, dass wer Leidenschaft zeigt und einen realistischen, aber hochgegriffenen Plan hat, auch andere Stakeholder an Board bekommt. Verkaufen ist Key im Start-up – die Idee, das Team, die Lösung.
Feedback ist essenziell hierfür, auch wenn es negativ sein sollte, um Klarheit zu gewinnen für das weitere Vorgehen. Hier gilt, wie so oft im Start-up Bereich, Geschwindigkeit ist entscheidend. Eine Herausforderung zu Beginn, war der Zugang zu teuren Laboreinrichtungen, um Versuche mit Hardware durchzuführen.
Habt ihr Tipps zur Finanzierung? Was sollten Gründer*innen beachten?
Bei der Finanzierung eines Start-ups ist es wichtig, sorgfältig zu wählen, wer als Investor an Bord kommt. Natürlich ist das Geld wichtig, aber es gibt noch andere Faktoren zu berücksichtigen. Holt euch Investoren, die euch helfen können, die richtigen Fragen zu stellen. Seid euch bewusst darüber, für welchen Bereich euch welcher Investor einen Nutzen bringen soll. Bei der Wahl der Investoren solltet ihr darauf achten, dass ihr gut zusammenpasst und dass eure Visionen und Ziele übereinstimmen. Investoren sollten auch eine Rolle spielen, die euch hilft, euer Start-up auf die nächste Stufe zu bringen. Eine Partnerschaft mit einem Investor sollte als langfristige Reise betrachtet werden, und ihr möchtet sicherstellen, dass ihr jemanden habt, dem ihr vertrauen könnt und auf den ihr euch in jeder Phase des Wachstums verlassen könnt.
Es ist auch wichtig, verschiedene Finanzierungsoptionen in Betracht zu ziehen, einschließlich Fördermitteln. Die Beantragung von Fördermitteln kann eine großartige Möglichkeit sein, um euer Start-up zu finanzieren, besonders wenn ihr bestimmte Kriterien erfüllt. Die meisten Förderprogramme haben spezifische Anforderungen, die erfüllt werden müssen, um in Betracht gezogen zu werden. Es kann sich jedoch lohnen, Zeit und Mühe zu investieren, um diese Optionen zu erkunden und zu nutzen, da sie eine großartige Möglichkeit bieten, finanzielle Unterstützung zu erhalten, ohne die Kontrolle über eure Unternehmen abzugeben.
Welche Tipps könntet ihr anderen geben? Gibt es etwas, dass ihr rückwirkend anders machen würdet?
Stellt euer Ego zurück. Versucht nicht ein großes Stück vom Kuchen zu ergattern, sondern für alle einen größeren Kuchen zu backen. Überlegt euch genau, was ihr aufbauen wollt. Was wollt ihr am Ende lieber haben: eine eigene Shell Tankstelle in Esslingen, oder 1 % von Shell besitzen?
Ein weiterer entscheidender Erfolgsfaktor ist das Team. Ein erstklassiges, vielfältiges und vertrauensvolles Team bildet das Fundament für den Erfolg. Gemeinsame Werte und Arbeitsweisen sollten sorgfältig erarbeitet werden, um schwierige Entscheidungen und Herausforderungen gemeinsam zu meistern.
Außerdem ist es wichtig, das Potenzial der verfolgten Idee realistisch einzuschätzen, da dies einen maßgeblichen Einfluss auf das Vorgehen und die Finanzierung hat. Wenn die Idee großes Potenzial hat, kann es sinnvoll sein, mehr Zeit und Ressourcen in die Entwicklung zu investieren oder eine Finanzierung durch Investoren oder Fördermittel in Betracht zu ziehen, um das volle Potenzial auszuschöpfen.
Wie empfindet ihr die Esslinger Gründungs-Community? Wo finden (potentielle) Gründer*innen am einfachsten Anschluss?
Eine zentrale Anlaufstelle ist GründES!, das Centre for Entrepreneurship der Hochschule Esslingen. Hier können Fragen rund um das Thema Entrepreneurship und Innovation beantwortet werden. Außerdem natürlich eure Initiative MachES, die innovative Projekte und Gründer*innen unterstützt.
Außerdem haben wir mit der Hochschule Esslingen einen sehr guten und vertrauensvollen Partner gefunden, dem das Wohl von Ausgründungen sehr am Herzen liegt. Wir möchten uns hier speziell bei Prof. Dr. Biener von der Fakultät AN und Prof. Dr. Michael Flad vom GründES! Bedanken, für die langfristige und sehr wergeschätzte Unterstützung.
Was bedeutet euch Regionalität? Wieso habt ihr in der Region gegründet?
Regionalität ist für uns von großer Bedeutung, da wir uns als Teil der lokalen Gemeinschaft verstehen und eine Mitverantwortung empfinden. Aus diesem Grund haben wir uns bewusst für die Gründung unseres Unternehmens in der Region entschieden. Ein Großteil des Gründerteams hat hier in Esslingen studiert und eine starke Bindung zur Hochschule Esslingen aufgebaut. Zu Beginn hat uns die Hochschule unerlässliche Laborinfrastrukturen zur Verfügung gestellt und uns bei der Beantragung von EXIST-Fördermitteln sowie Jungen Innovatoren Anträgen tatkräftig unterstützt. Ohne ihre Hilfe wären wir nicht da, wo wir heute sind.
Die Region bietet zudem ein gutes Netzwerk für Start-ups und ein Umfeld, das Innovationen fördert. Wir fühlen uns verpflichtet, dazu beizutragen, dass die Wirtschaft und das Unternehmertum in der Region wachsen und florieren. Wir möchten unsere Erfahrungen und unser Wissen nutzen, um das Potenzial der Region voll auszuschöpfen und sie auf diese Weise stärker und zukunftsfähiger zu machen. Wir sind stolz darauf, Teil dieser dynamischen und aufstrebenden Region zu sein und werden uns auch weiterhin für ihre Entwicklung engagieren.
Welche Anlaufstellen für Gründer*innen könnt ihr empfehlen? Welche Events sollten (potentielle) Gründer*innen auf keinen Fall verpassen?
Wir empfehlen sich speziell nach Veranstaltungen zu den Schwerpunkten der eigenen Company umzusehen. So gibt es beispielsweise Events und Meetups für Gründer*innen im Bereich Medizintechnik und Life Sciences in der Region und eine aktive Wirtschaftsförderung. Es macht aber auch Sinn sich auch außerhalb der eigenen Stadt oder Region umzusehen und beispielsweise an Messen und Events in größeren Städten teilzunehmen, um das eigene Netzwerk zu erweitern und von den Erfahrungen anderer Gründer*innen zu lernen. Für uns wären das zum Beispiel die Food & Ingredients Messe oder Events für Brauereien.
Wie stellt ihr euch die nahe und ferne Zukunft für euer Unternehmen vor?
Wir wollen unser Unternehmen weiter skalieren, indem wir unsere Produktionskapazitäten ausbauen und weitere Kunden gewinnen. Wir möchten uns als Anbieter von Proteinisolaten auf dem Markt etablieren und unser Portfolio an innovativen Produkten erweitern. Dabei ist es uns wichtig, unsere Nachhaltigkeitsziele weiter zu verfolgen und unsere Produktionsprozesse möglichst umweltfreundlich zu gestalten. Wir möchten uns auch international ausrichten und unsere Produkte weltweit anbieten. Wir werden uns ständig an die sich ändernden Marktbedingungen anpassen und innovative Lösungen für die Bedürfnisse unserer Kunden entwickeln, um langfristigen Erfolg zu gewährleisten.